Kommission zur Untersuchung der Polizei-Übergriffe
Die unabhängige Untersuchungskommission zu den Ereignissen am 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin, wie die offizielle Bezeichnung lautete, entstand aus zwei Ausschüssen, die sich nahezu zeitgleich, aber unabhängig voneinander, gebildet hatten. Auslöser waren die brutalen Übergriffe der Sicherheitskräfte auf Teilnehmer der Demonstrationen am 7. und 8.Oktober 1989 in Ost-Berlin. Während sich eine unabhängige Gruppe von Bürgerrechtlern (darunter Marianne Birthler und Werner Fischer), die um das Kontakttelefon in der Gethsemanekirche entstanden war, bereits im Oktober um die Betroffenen gekümmert und Gedächtnisprotokolle der Zugeführten gesammelt hatte, beschloss die Berliner Stadtverordnetenversammlung am 3.11.1989 die Bildung einer zeitweiligen Untersuchungskommission. Aus dem Zusammenschluss dieser Kommission und jener Kommission im Umfeld der Gethsemanekirche entstand nach einigen Auseinandersetzungen schließlich eine unabhängige Untersuchungskommission. Diesem Gremium gehörten neben Künstlern und Schriftstellern (u.a. Christa Wolf, Christoph Hein, Daniela Dahn) auch Stadtverordnete, Ärzte, Anwälte, Kirchenvertreter und Vertreter der Sicherheitskräfte an.
Ziel der Kommission war es, die Verantwortlichen für die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Teilnehmer der Demonstrationen am 7./8.Oktober zu ermitteln, und Material für juristische Konsequenzen zu sammeln. Dabei hatte es das Gremium ständig mit Verschleierungs- und Verschleppungsversuchen der Staatsmacht zu tun. Dennoch fanden in der Zeit zwischen dem 15.11.1989 und dem 14.3.1990 24 Befragungen von verantwortlichen Funktionsträgern statt: z.B. Egon Krenz, Günter Schabowski, der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, der Minister des Innern, Friedrich Dickel), der Leiter des AfNS, Generaloberst Wolfgang Schwanitz, Staatsanwälte, Polizeioffiziere, Mitarbeiter des MfS. Im Ergebnis wurden mehrere Anzeigen erstattet, die zu Strafanträgen führten. Alle Verfahren wurden ohne Konsequenzen eingestellt, das letzte gegen Erich Mielke 1999. Dennoch war die Existenz der Kommission ein in der Geschichte der DDR einmaliger Vorgang, der nur dadurch zu erklären ist, dass das System bereits zu marode war, um diesen Versuch einer basisdemokratischen Wahrheitsfindung abzuwehren. Die Kommission stellte ihre Arbeit offiziell am 27.4.1990 ein. Der Abschlussbericht erschien als Buch. Der Nachlass der Kommission wurde dem Archiv der evangelischen Kirche übergeben.
Ehemalige Mitglieder treffen sich in unregelmäßigen Abständen im "Passauerkreis", so genannt nach dem letzten Moderator des Gremiums, Martin-Michael Passauer.