Nationale Front
In der am 7. Oktober 1949 gegründeten Nationalen Front des demokratischen Deutschlands sollten sich alle "patriotischen Kräfte des deutschen Volkes" für die "Errichtung eines einheitlichen, unabhängigen demokratischen Deutschland" nach dem Vorbild der DDR engagieren. Die anfangs gesamtdeutsche Ausrichtung war im Interesse Stalins, der nach der doppelten Staatsgründung eine Westintegration der Bundesrepublik verhindern wollte. Die SED instrumentalisierte die Nationale Front zur Durchsetzung der Einheitslisten bei Volkskammerwahlen. Unter dem Dach der Nationalen Front wurde eine gemeinsame Kandidatenliste aufgestellt, z.T. mit Repressionen gegen den Widerstand von CDU und LDPD. Der Wahlsieg der Kandidaten suggerierte eine breite Legitimation der Staatsmacht durch die Bevölkerung und verschleierte ihre Usurpation durch die SED.
Wichtigstes Führungsgremium der Nationalen Front war der Nationalrat. Dem Präsidium des Nationalrates gehörten Vertreter aller Parteien und größeren gesellschaftlichen Organisationen an und das Sekretariat. Weiterhin gab es Ausschüsse auf Landes-, Bezirks, Kreis-, Stadt-, Orts- und Wohngebietsebene, 1989 wares es insgesamt 19.400. In den Ausschussleitungen dominierten SED-Mitglieder. Mit der Wende der SED zu Zwei-Nationen-Theorie seit 1971 wurde die Nationale Front immer mehr zum Instrument innenpolitischer Mobilisierung. Der von der SED kontrollierte Dachverband aller Parteien und gesellschaftlichen Organisationen (mit Ausnahme christlicher Organisationen) nannte sich seit 1973 Nationale Front der DDR.
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger (1989: 405.000) engagierten sich in den regionalen Ausschüssen der Nationalen Front, z.B. bei der Erhaltung des Wohnraums, der Anlage von Grün- oder Spielflächen etc. Die SED-Propaganda stellte dieses Engagement als Paradebeispiel "sozialistischer Demokratie" heraus. Tatsächlich handelte es sich aber wohl weniger um Parteinahme für den Staat: Die Bürgerinnen und Bürger nutzten die Ausschüsse als Foren der Selbsthilfe gegenüber einer überforderten kommunalen Verwaltung.
Die Bedeutung der Nationalen Front auf zentraler politischer Ebene schwand in der Ära Honecker. In den 80er Jahren gab es keine Sitzungen des Nationalrats-Präsidiums mehr; der letzte Nationalkongress fand 1969 statt.
Im Dezember 1989 traten die Blockparteien auf Initiative der CDU aus der Nationalen Front aus. Der von Hans Modrow geleitete Ministerrat wollte die Ausschüsse Anfang 1990 als "Nationale Bürgerbewegung" umstrukturieren. Dieser Versuch misslang, da die Unterstützung der Einheitslistenwahlen und damit der SED-Alleinherrschaft die Nationale Front früh und langfristig in der Bevölkerung diskreditiert hatte.