Jutta Seidel
geb. 27. Oktober 1950 Brandenburg
Studierte wie ihr späterer Mann Eberhard Zahnmedizin in Berlin. Sie war in der politisierten Evangelischen Studentengemeinde Berlins aktiv und heiratete 1975. Ab Anfang der 80er Jahre engagierte sich Jutta Seidel bei den "Frauen für den Frieden" (zusammen mit Bärbel Bohley, Katja Havemann u.a.). 1983 gründeten sie mit ihrem Mann und Freunden die Gruppe "Ärzte für den Frieden" als Gegenstück zu der staatstragenden SED-hörigen DDR-Sektion der IPPNW. Die "Ärzte für den Frieden", ähnliche Gruppen waren auch in anderen Teilen der DDR entstanden, wollten aus ärztlichem Ethos und christlichem Bekenntnis heraus einen eigenständigen Beitrag für die Friedenssicherung leisten. Man hielt Kontakte zur bundesdeutschen Sektion des Verbandes und baute Verbindungen zu den internationalen Sektionen auf. Man organisierte im Schutz der Evangelischen Kirche in der DDR Vorträge, Gespräche auf Friedenswerkstätten und Gemeindeabenden. "Innerkirchliche" Publikationen (Die "Pechblende" von Michael Beleites war die bekannteste) wurden herausgegeben. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte in diese Gruppen informelle Mitarbeiter eingeschleust. Durch massive Interventionen der bundesdeutschen und der holländischen Sektion und der Evangelischen Kirche in der DDR konnte ab 1986 je ein Vertreter der unabhängigen Ärztegruppen in der offiziellen Delegation der IPPNW in der DDR zu den internationalen Kongressen und Symposien mitfahren. Innerhalb der Delegation der offiziellen DDR Sektion fanden massive Disziplinierungs-Versuche durch die Delegationsleitung statt. Jutta Seidel nahm z. B. 1987 am 7. Medizinischen Kongress der bundesdeutschen IPPNW in Essen und am internationalen Weltkongress in Moskau teil. Jutta Seidel war Mitbegründerin des Neuen Forum. Sie arbeitete mit ihrem Mann zur Wendezeit am zentralen Runden Tisch der DDR mit. Auf Grund der Reformunwilligkeit der offiziellen IPPNW-Sektion der DDR, die der Reformunwilligkeit des DDR Staates entsprach, war eine Umgestaltung der DDR IPPNW über eine inhaltliche Neubestimmung nicht möglich. Die erste Mitgliederversammlung der IPPNW Sektion in der DDR überhaupt wurde von den unabhängigen Ärztegruppen und kritischen Einzelnen im Juni 1990! erzwungen. In einer Kampfabstimmung wurde die bisherige SED-hörige IPPNW Sektionsleitung abgewählt. Der neu votierte Vorstand setzte sich aus bisher unterdrückten Mitgliedern zusammen, darunter Eberhard Seidel. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Dr. Jens Reich gewählt. Die Mitgliederversammlung beschließt unter diesem neuen Vorstand eine Satzungsänderung, eine Themenerweiterung und die Namensänderung in "Ärzte in sozialer Verantwortung IPPNW Sektion der DDR".
Im Januar 1991 findet in Burgscheidungen nahe Naumburg unter Federführung des neuen Vorstandes der "Ärzte in sozialer Verantwortung IPPNW Sektion der DDR" die erste gemeinsame Tagung der beiden IPPNW Sektionen statt. Das Zusammengehen der beiden deutschen Sektionen wird unter der Voraussetzung bekräftigt, dass die westdeutsche Sektion ihre Satzung der ostdeutschen anpasst. Im März 1991 vereinigen sich die beiden Sektionen auf einer gemeinsamen Mitgliederversammlung in Kassel. Der erste gemeinsame Vorstand wird von den Mitgliedern aus Ost und West gewählt. Jutta und Eberhard Seidel sowie Jens Reich gehören ihm, wie später auch weiteren, an. Ab 1991/1992 engagierten sich beide neben der ärztlich-friedenspolitischen Arbeit und dem nicht leichten und ungewohnten Aufbau ihrer Praxen auch noch berufspolitisch. Eberhard im Vorstand der Berliner Ärztekammer, Jutta als Delegierte der Berliner Zahnärztekammer und der Bundeszahnärztekammer.